Antrag zur LDK in Neuss, 12./15. Juni 2019
Wahlfreiheit und Vorsorge sichern!
Die Debatte um die neuen Gentechnologien wird derzeit bei uns GRÜNEN bundesweit und intensiv
geführt. Auch wir in NRW haben in der LAG Wald/Landwirtschaft/ländlicher Raum zu dem Thema
gearbeitet, die Landtagsfraktion hat eine öffentliche Veranstaltung dazu gemacht. Unsere Quintessenz:
Eine gentechnikfreie Land-und Forstwirtschaft ist ein starker Standortvorteil für NRW und Europa.
Daher sagen wir GRÜNE in NRW auch zur „neuen“ Gentechnik auf dem Acker, im Wald, auf dem
Teller und im Tier: NEIN DANKE!
Das wachsende Eingriffspotential in die Erbsubstanz von Mensch, Tier, Pflanzen und Bakterien sowie die
rasante Entwicklung in diesem Bereich machen klar: Gerade auch die neuen Gentechniken müssen innerhalb des
Risikoprüfungs-und Zulassungsregimes des Gentechnikrechts überwacht werden. Das gebieten die Vorsorge für
Umwelt und Gesundheit sowie auch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes.
Deshalb stehen wir dazu:
• Auch die sogenannte „neue Gentechnik“ muss als Gentechnik rechtssicher geregelt werden. Wir brauchen
einen klaren gesetzlichen Rahmen der garantiert, dass alle genetisch manipulierten Organismen einer
Risikoanalyse und –Bewertung und einem Zulassungsverfahren unterzogen werden, die Entwickler müssen ein
Nachweisverfahren sowie Referenzmaterial zur Verfügung stellen, Rückverfolgbarkeit, Kennzeichnungspflicht
und Monitoring sind zu gewährleisten.
• Wir begrü.en das EuGH-Urteil zu den neuen Gentechnik-Verfahren. Dies muss nun von der EU-Kommission,
den Mitgliedstaaten und den zuständigen Kontrollbehörden umgesetzt werden.
• Die „grüne“ Gentechnik, also Gentechnik in der Land-und Forstwirtschaft, die darauf abzielt, genmanipulierte
Organismen in der Umwelt auszusetzen, wo keine Kontrolle mehr über die Verbreitung der veränderten Gene
und Organismen gegeben ist, lehnen wir, wie sehr viele Europäer*innen, grundsätzlich ab.
• Auch in Zukunft muss „Gentechnik“ draufstehen, wo Gentechnik drin ist. Um die Wahlfreiheit der
Verbraucher*innen sicher zu stellen, braucht es Transparenz und eine verpflichtende Kennzeichnung!
• Die Erhaltung, Verbesserung und Zugänglichkeit von vielfältigem Saatgut muss durch mehr staatliche
Forschung und Förderung von klassischer Zucht von robusten, standort-und klimaangepassten Sorten langfristig
gesichert werden.
• Um Alternativen im Bereich der Züchtung und Erhaltung überhaupt zu ermöglichen, muss die Patentierung
von konventionellen -„im wesentlichen biologischen“ –Züchtungsverfahren und den damit entwickelten
Produkten umgehend gestoppt werden.
• Die Forschung und Förderung zur Agrar-und Forstökologie muss verstärkt werden, um über anbautechnische
Optimierungen die Land- und Forstwirtschaft nachhaltiger, ressourcenschonender und regional angepasst zu
gestalten.
• Aufgrund der schwer kalkulierbaren Risiken, der Nicht-Rückholbarkeit veränderter Gene und der
Monopolisierung von Marktmacht der Saatgutkonzerne lehnen wir Gentechnik bei der Erzeugung von
Lebensmitteln ab. Dies bezieht sich auch auf die neuen Methoden der Gentechnik, das sog. Gene-Editing,
bei dem u.a. die Gen-Schere CRISPR/Cas zum Einsatz kommt.
Begründung:
Eine gentechnikfreie Land-und Forstwirtschaft ist ein starker Standortvorteil für NRW und Europa:
Wir GRÜNE, aber auch die uns nahe stehenden Landwirtschafts-, Naturschutz-und Tierschutzverbände wollen
eine umwelt-und ressourcenschonende, vielfältige, den Bedürfnissen von Menschen und Tieren gerechte
Landwirtschaft zur Erzeugung von Lebensmitteln.
Aufgrund der nicht kalkulierbaren Risiken, der Nicht-Rückholbarkeit freigesetzter genveränderter
Organismen (GVO) und der Monopolisierung von Marktmacht der Saatgutkonzerne, lehnen wir GVO
bei der Erzeugung von Lebensmitteln ab. Dies bezieht sich auch auf die neuen Methoden der Gentechnik,
das sog. Gene-Editing, bei dem u.a. die Gen-Schere CRISPR/Cas zum Einsatz kommt.
Wieder und wieder wurden seitens der Industrie trockenheits-und salzresistente Sorten sowohl mit der alten als
auch der neuen Gentechnik angekündigt. Bisher ist nichts davon zu sehen. Es ist eindeutig, dass Gentechnik in
den letzten dreißig Jahren keines dieser Versprechen eingelöst hat. Stattdessen wurden pestizidresistente Sorten
geschaffen, mit deren Nutzung ein höherer Pestizideinsatz und gravierende Umweltbelastungen sowie ein
erschreckender Biodiversitätsschwund einhergehen. Der Hunger in der Welt ist längst nicht besiegt.
Landwirt*innen werden beim Einsatz genmanipulierter Saaten in immer größere Abhängigkeit von den
Agrarkonzernen und ihren Produkten gebracht. Auch auf die neuen Gentechnikverfahren und ihre Produkte
werden Patente –und hier v.a. von den großen Agrarkonzernen – angemeldet und teilweise auch erteilt. Die
neuen Gentechnikverfahren werden aller Voraussicht nach zu einer neuen Patentierungswelle von Pflanzen und
Tieren führen. Dies wird die Monopolisierung unserer Lebensgrundlagen verschärfen. Der Zugang zu
genetischem Material wird so noch schwieriger, dies ist aber die züchterische Grundlage zur Entwicklung
klimaanpassungsfähiger und vielfältiger Sorten.
Am 25. Juli 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass auch mit neuen
gentechnischen Verfahren erzeugte Organismen unter das EU-Gentechnikrecht fallen. Damit ist der EuGH
dem in Europa aus guten Gründen geltenden und lange Zeit von der Umweltbewegung geforderten
Vorsorgeprinzip gefolgt. Das Vorsorgeprinzip kommt dann zur Anwendung, wenn man noch über keine
Risikodaten verfügt, also keine Risikobeurteilung möglich ist. Das Vorsorgeprinzip verlangt in jenen Fällen, in
denen schwere Schäden plausibel denkbar sind, vorsichtig zu sein, bis man mehr Wissen hat und eine
Risikobeurteilung möglich wird.
Dies gilt gerade auch, wenn wissenschaftliche Beweise noch ungenügend, nicht schlüssig oder unsicher
sind, wie das bei CRISPR/Cas der Fall ist.
Es gibt einige Studien, die darauf hinweisen, dass die Anwendung dieser erst 2012 vorgestellten, also noch sehr
jungen und relativ unerforschten Technik, zum Beispiel on-und off-target-Effekte in den veränderten
Organismen nach sich ziehen kann.
Die Genschere nimmt Veränderungen direkt in der DNA vor, wobei einzelne Basen verändert, DNA-Abschnitte
stillgelegt, ausgeschnitten, ausgetauscht oder künstliche, synthetische DNA eingefügt werden kann. Es können
sowohl kleine Punktmutationen vorgenommen, als auch größere Genabschnitte verändert werden. Die Eingriffe
können mehrfach hintereinander oder in Kombination durchgeführt werden. CRISPR/Cas kann die natürlichen
Mechanismen der Genregulation umgehen, mit denen sich Organismen normalerweise vor negativen Folgen von
DNA-Veränderungen schützen. Die gentechnischen Veränderungen sind vererbbar und führen zu spezifischen
neuen Kombinationen von genetischen Eigenschaften, die über die einzelnen veränderten DNA-Abschnitte
hinaus den ganzen Organismus betreffen können. Es ist noch wenig erforscht und nicht absehbar, wie die
Pflanzen über längere Zeit auf diese Veränderungen reagieren.
Werden gentechnisch veränderte Organismen freigesetzt, sind diese mit allen unkontrollierbaren Auswirkungen
in der Umwelt und nicht rückholbar. Daher ist es eine nicht nur vernünftige, sondern wissenschaftlich und
juristisch angemessene Position, diese Organismen unter den Rahmen eines modernen Risikomanagements zu
stellen. Das heißt, dass sie risikobewertet, gekennzeichnet, rückverfolgbar und nachevaluiert werden müssen
und dass es einer Zulassung vor dem Inverkehrbringen oder Anbau bedarf. Freisetzungen und Anbau sind in
einem öffentlichen Standortregister einzutragen, die Haftung von Schäden muss übernommen werden. Schon
alleine aufgrund der Tatsache, dass es Wirtschaftszweige wie den Ökologischen Landbau oder „ohne
Gentechnik“ gibt, die weder alte noch neue Gentechnik nutzen dürfen und wollen , ist eine Kennzeichnung
unumgänglich, um Wahlfreiheit zu garantieren.
Wir wollen eine bäuerliche, widerstandsfähige, ökologischere und auf Vielfalt basierende Landwirtschaft, die
auf Kreislaufwirtschaft setzt. Wir sind der Überzeugung, dass die von den Autoren des Weltagrarberichts
empfohlenen Agrarsysteme, die das Anwenden von agrarökologischen Techniken, den Einsatz von vielfältigem
samenfesten und nachbaufähigem Saatgut, den Zugang zu Land und Wasser sowie zu regionalen Märkten in den
Vordergrund stellen, weit nachhaltiger und erfolgsversprechender sind als das, was Gentechnik verspricht und
nicht liefert.
Aktuell werden agrarökologische Methoden, zu denen auch der zertifizierte Ökolandbau gehört, in Europa und
weltweit nur mit einem Bruchteil der finanziellen Mittel erforscht und weiterentwickelt. Agrarökologische
Forschung hat ein weitaus größeres Potential, Antworten für die großen Herausforderungen zu Klimaschutz und
Klimaanpassung, Sicherung der Artenvielfalt sowie von Wasser und Böden zu entwickeln. Viele solcher
Techniken sind schon bekannt und müssten nur weiterentwickelt und vor allen Dingen auch angewandt werden.
Die Landwirtschaft muss sich auf Anforderungen des weltweiten Klimawandels, des Ressourcenverbrauchs und
des Biodiversitätsschwundes bei einer wachsenden Weltbevölkerung einstellen. Dabei wollen wir als GRÜNE
Verantwortung übernehmen und uns für eine umwelt-und tiergerechte Wirtschaftsweise einsetzen. Welche
Partei, wenn nicht wir GRÜNE, sollte eine klare Stimme für eine zukunftsfähige ökologischere Landwirtschaft
haben, die auch an die Generationen nach uns denkt? Nur eine natürliche genetische Vielfalt unserer Pflanzen
und Tiere kann den Anforderungen der Zukunft gerecht werden.
Lernen wir unsere Natur besser zu verstehen und ihre genialen Lösungsangebote im Einklang mit der
Natur zu nutzen, anstatt an ihr herum zu experimentieren!