Positionspapier der LAG Wald, Landwirtschaft, ländlicher Raum
B90/Die Grünen NRW
Beschlossen auf der LAG Sitzung am 2.2.2019
Borkenkäfer & Sturmkalamitäten im Wald:
Waldaufbau in Zeiten des Klimawandels
Die Auswirkungen des Klimawandels im Wald zeigten sich im vergangenen Jahr
besonders deutlich. Wetterextreme wie die Stürme im Frühjahr, die lang anhaltende
Hitze und der ausbleibende Niederschlag, haben enorme Auswirkungen
auf das Waldökosystem gezeigt, so dass sich der Borkenkäfer auch in NRW so
massiv ausbreiten konnte wie noch nie. Je nachdem wie sich die Witterung in
den nächsten Monaten entwickelt, kann sich die Lage im Wald wieder entspannen
oder aber weiter dramatisch verschlechtern. Die Schäden bei anderen
Waldbaumarten sind – in ökonomischer Sicht – nicht zu vergleichen mit dem für
viele Waldbesitzer*innen drohenden katastrophalen Ausfall der Fichte. Massive
Einkommensverluste für Jahrzehnte und Vermögensschäden sowohl für öffentliche
Haushalte als auch private Waldbesitzer*innen sind voraussichtlich die Folge.
Für viele Menschen, auch für viele Waldeigentümer*innen, ist dieser Sommer der
wegweisende Aufruf, den Klimawandel ernst zu nehmen und die
Waldbewirtschaftung und die Waldentwicklung/-gestaltung dem anzupassen. Wir
GRÜNE werden den Diskurs mit Fachleuten verstärkt führen. Mit einem
Waldkongress im zweiten Halbjahr 2019 werden wir konkrete
Handlungsempfehlungen thematisieren, um Lösungen für diese
Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu entwickeln.
Allerdings können wir uns den Herausforderungen, denen sich die
Waldbesitzer*innen aller Eigentumsarten bereits im Frühjahr 2019 gegenüber
sehen, nicht verschließen. Ihre Entscheidungen müssen gut überlegt sein, um
bei der Aufarbeitung betroffener Bestände nicht die zukünftige Waldentwicklung
zu schädigen Bereits jetzt, aber vermehrt im April/Mai 2019, steht für viele die
Frage im Raum, was mit dem Holz passiert. Außerdem geht es in verstärktem
Maße darum, wie auf den Kalamitätsflächen die Aufwuchsgestaltung
durchgeführt werden soll bzw. welche Baumarten den Herausforderungen des
Klimawandels standhalten. Wiederbewaldung durch Sukzession, Anpflanzung
oder gezielte Förderung der Naturverjüngung sind Optionen, die sich den
Waldbesitzenden bieten. Sicher ist nur, dass die Fichte aufgrund der klimatischen
Entwicklungen, der Extremwetterereignisse, nicht mehr geeignet ist als
„Brotbaum“ der Forstwirtschaft zu fungieren. Sicher ist auch, dass es ökologisch
nicht vorteilhaft gewesen ist, großflächig auf monokulturellen Anbau einer
Baumart zu setzen. Es wird mehr und mehr deutlich:: Das Ziel klimaplastischer
Wälder ist ein diversifizierter Mischwald mit möglichst heimischen (Laub-
)Baumarten.
Eine vergleichbare Situation gab es vor zehn Jahren durch Kyrill schon einmal,
viele Waldbesitzer*innen ignorierten jedoch die Hinweise aus der Wissenschaft
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und dem Landesbetrieb Wald und Holz. Viele setzten weiter monokulturell auf die
Fichte oder Douglasie. Die wenigen, die mit anderen Baumarten (Weisstanne,
Buche, Roteiche, Küstentanne, Esskastanie) ihre Wälder anreicherten, mussten
erleben, dass der hohe Wildbesatz häufig alle Bemühungen zunichtemachte.
Millionen an Steuergeldern wurden dem Wild „zum Frass“ vorgeworfen, da die
Jagd nicht adäquat und konsequent durchgeführt wurde. Notwendiger Gatterbau
zum Schutz der empfindlichen Baumarten wurde unzureichend gefördert und die
Unterstützung des Waldumbaus durch die Berufsverbände erfolgte nur
halbherzig. Darüber hinaus verbleiben nun zehntausende von Plastik-
Einzelwuchshüllen in den Wäldern und werden zu Mikroplastik.
Um eine ähnliche Entwicklung in den kommenden Jahren zu verhindern und
endlich den notwendigen Waldumbau einzuleiten, fordern B90/Die Grünen NRW
nun kurzfristig für die Bewirtschaftung des Staatswaldes:1
1. Ausweitung von Referenzflächen, die der Sukzession und somit der
natürlichen Waldentwicklung unterliegen, mit und ohne Wildschutzzäunen
oder Weisergattern, um einen Vergleich zu ermöglichen.
2. Auf den Flächen, auf denen bereits Naturverjüngung gegeben ist, eine
optimierte Pflege derselben mit dem Ziel, einen diversifizierten
Waldaufbau zu betreiben
3. Klarer Vorrang für Naturverjüngung und den Anbau von
standortheimischen Baumarten. In FFH- und Naturschutzgebieten
absolute Beschränkung auf standortheimische Baumarten.
4. Eine an den Zielen der Walderhaltung und des Waldaufbaus ausgerichtete
Wildbejagung, insbesondere bei Reh- und Rotwild.
5. Bei hohem Wildbestand auch Nutzung des Gatterbaus/Wildschutzzaun
(konditioniert, z.B.: max. Größe 1ha, Mindestabstand zum nächsten Gatter
60 Meter. Abbau nach 8 Jahren), um insbesondere Laubbäume bzw. die
Weisstanne vor Wildverbiss schützen zu können.
6. Aufbau bzw. Optimierung eines naturverträglichen
Gewässermanagementsystems für Wälder
Darüber hinaus sollen in einem gemeinsamen Prozess zwischen dem
Landesbetrieb Wald und Holz, den kommunalen Spitzenverbänden und der
Vereinigung der Kommunalwaldbesitzer Handlungsempfehlungen und Regeln für
die Bewirtschaftung des Waldes in kommunalem Eigentum erarbeitet werden.
Für den Privatwald fordern wir:
1. Gro.zügige Förderung von Sukzessionsflächen, von Naturverjüngungen
und von einer Beschränkung auf standortheimische Baumarten.
2. Bei hohem Wildbestand auch Förderung des Gatterbaus/Wildschutzzaun
(konditioniert, z.B.: max. Größe 1ha, Mindestabstand zum nächsten Gatter
60 Meter. Abbau nach 8 Jahren, ), um insbesondere Laubbäume bzw. die
Weisstanne vor Wildverbiss schützen zu können.
3. Verpflichtende Berücksichtigung der Forstlichen Standortkarte bei
Förderanträgen
1 Und verweisen zusätzlich auf den Entschließungsantrag der Grünen Landtagsfraktion vom 27.11.2018,
Drucksache 17/4346
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4. Rücknahme der Erhöhungen der Entgeltordnung für 2019, um die
Waldbesitzer*innen nicht zusätzlich zu belasten
5. Im Privatwald muss der Anteil von Sukzessionsflächen, Naturverjüngung
und Pflanzung standortheimischer Baumarten deutlich gesteigert werden.
Wo erforderlich sind angepasste Schutzmaßnahmen, wie z.B. der Bau von
Gatter, zu fördern. Nur durch unbürokratische, rechtssichere und
wirtschaftlich angemessene Naturschutzverträge bzw. durch
Verordnungen mit fairer Entschädigung werden die notwendigen
Umbaumaßnahmen erfolgreich sein. In FFH- und Naturschutzgebieten
müssen alle Entscheidungen das Ziel haben, auf 100 % der Fläche eine
natürliche Waldentwicklung zu erreichen.
Darüber hinaus sind auch Unterstützungsma.nahmen nötig, um den Abtransport
der geschädigten Bäume zum Ende des Frühjahrs aus den Wäldern zu
gewährleisten bzw. die Kosten für die Waldbesitzenden nicht zu hoch werden zu
lassen:
1. Zentrale Trockenlagerplätze sind unter Berücksichtigung der wasser- und
bodenkundlichen Eignung einzurichten, damit die Abfuhrunternehmen
nicht zu Tausenden Kleinstpoltern fahren müssen. Dies erleichtert und
vergünstigt die Abrechnung und stärkt, wenn es über die
Forstbetriebsgemeinschaften gemacht wird, diese Zusammenschlüsse.
2. Für die Waldbesitzenden mit Kurzholzwagen ist dann wichtig, dass sie
diese auf öffentlichen Straßen nutzen dürfen. Dies ist heute nicht immer
so, da diese Anhänger häufig nicht mit Druckluftbremsen ausgerüstet sind.
Hier fordern wir eine einjährige Ausnahme.
3. Schwierige Abwägungen sind erforderlich zwischen der beschleunigten
Beseitigung des Käferholzes (Brutmaterial) und einer bodenschonenden
Bewirtschaftung. Die Entscheidungen sind im Staatswald durch
Verordnungen und Schulungen zu optimieren, besonders sorgfältig für
FFH- und Naturschutzgebiete. Im Privatwald muss eine intensive
Beratung und organisatorische Unterstützung stattfinden. Denn es muss
vermieden werden, dass gravierende Probleme (Verdichtung, Erosion,
Schäden an Ton-Humus-Komplexen etc.) auftreten. Das Befahren mit
hohen Achslasten, die insbesondere durch Spitzenwerte (Kurven,
unebene Strecken, Neigungen etc.) Langzeitschäden verursachen
können, muss auf Zeiten (z.B. Trockenzeiten, Starkfrostperioden) begrenzt
werden, zu denen keine oder nur geringfügige Bodenschäden zu erwarten
sind.
4. Für jedes Regionalforstamt muss ein individueller Masterplan bis
spätestens 1. März entwickelt werden, der Maßnahmen zur Eindämmung
des Käferbefalls spezifisch festschreibt. Auch Einschlagsreduzierungen für
Frischholz müssen mit Betroffenen diskutiert und im Landesabgleich wenn
nötig durchgesetzt werden.
5. Wenn die Waldbesitzer*innen für die Einnahmen aus dem Verkauf des
Schadholzes Einkommensteuer zahlen müssen, obwohl die Käferschäden
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einen Vermögensverlust und kein betriebswirtschaftliches Einkommen
bedeuten, dann ist dadurch in ungerechtfertigter Weise ihre Existenz
gefährdet. Deshalb soll auf Bundesebene das
Forstschädenausgleichsgesetz als Notmaßnahme angewandt werden.
6. Um in Zukunft die Nutzung von Pestiziden im Fall einer
Borkenkäferkalamität zu minimieren, ist es dringend notwendig
Machbarkeitsstudien für ökologische Bekämpfungsmittel
durchzuführen und seitens der Landesregierung zu finanzieren.
7. Um landesweit eine ökologisch – und auch forstlich – zu
verantwortende Wildbejagung insbesondere von Rehwild, Rotwild,
Sikawild, Damwild und Muffelwild zu erreichen, ist der
Landesjagdverband in die Pflicht zu nehmen, entsprechend auf seine
Mitglieder einzuwirken.
Die Kalamitätensituation und auch die notwendige Klimaanpassung der
Wälder sind große Herausforderungen. Dabei darf nicht vergessen werden,
dass NRW viele private Kleinstwaldbesitzerinnen und -besitzer hat, die diesen
Herausforderungen ebenfalls begegnen müssen. Die Gefahr besteht, dass
diese nach herben Verlusten ihre Freude an der Waldbewirtschaftung verlieren
oder die finanziellen Verluste nicht ausreichend kompensieren können. Wenn
keine ansprechenden und unbürokratischen Zukunfts- und Förderprogramme
aufgelegt werden kann das für viele Kleinwaldbesitzer das Aus bedeuten. Dies
wollen wir vermeiden. Die Unterstützungsma.nahmen sind maßgeblich an
eine Bereitschaft zur naturnahen und klimaangepassten Waldbewirtschaftung
zu binden, um unsere Wälder für die zukünftigen klimabedingten
Herausforderungen fit zu machen.
Kontakt:
Jutta Velte, jutta.velte@wtal.de
Gregor Kaiser, grek@jpberlin.de