Borkenkäfer u. Sturmkalamitäten im Wald: Waldaufbau in Zeiten des Klimawandels 13. Februar 201930. Mai 2019 Positionspapier der LAG Wald, Landwirtschaft, ländlicher Raum B90/Die Grünen NRW Beschlossen auf der LAG Sitzung am 2.2.2019 Borkenkäfer & Sturmkalamitäten im Wald: Waldaufbau in Zeiten des Klimawandels Die Auswirkungen des Klimawandels im Wald zeigten sich im vergangenen Jahr besonders deutlich. Wetterextreme wie die Stürme im Frühjahr, die lang anhaltende Hitze und der ausbleibende Niederschlag, haben enorme Auswirkungen auf das Waldökosystem gezeigt, so dass sich der Borkenkäfer auch in NRW so massiv ausbreiten konnte wie noch nie. Je nachdem wie sich die Witterung in den nächsten Monaten entwickelt, kann sich die Lage im Wald wieder entspannen oder aber weiter dramatisch verschlechtern. Die Schäden bei anderen Waldbaumarten sind – in ökonomischer Sicht – nicht zu vergleichen mit dem für viele Waldbesitzer*innen drohenden katastrophalen Ausfall der Fichte. Massive Einkommensverluste für Jahrzehnte und Vermögensschäden sowohl für öffentliche Haushalte als auch private Waldbesitzer*innen sind voraussichtlich die Folge. Für viele Menschen, auch für viele Waldeigentümer*innen, ist dieser Sommer der wegweisende Aufruf, den Klimawandel ernst zu nehmen und die Waldbewirtschaftung und die Waldentwicklung/-gestaltung dem anzupassen. Wir GRÜNE werden den Diskurs mit Fachleuten verstärkt führen. Mit einem Waldkongress im zweiten Halbjahr 2019 werden wir konkrete Handlungsempfehlungen thematisieren, um Lösungen für diese Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu entwickeln. Allerdings können wir uns den Herausforderungen, denen sich die Waldbesitzer*innen aller Eigentumsarten bereits im Frühjahr 2019 gegenüber sehen, nicht verschließen. Ihre Entscheidungen müssen gut überlegt sein, um bei der Aufarbeitung betroffener Bestände nicht die zukünftige Waldentwicklung zu schädigen Bereits jetzt, aber vermehrt im April/Mai 2019, steht für viele die Frage im Raum, was mit dem Holz passiert. Außerdem geht es in verstärktem Maße darum, wie auf den Kalamitätsflächen die Aufwuchsgestaltung durchgeführt werden soll bzw. welche Baumarten den Herausforderungen des Klimawandels standhalten. Wiederbewaldung durch Sukzession, Anpflanzung oder gezielte Förderung der Naturverjüngung sind Optionen, die sich den Waldbesitzenden bieten. Sicher ist nur, dass die Fichte aufgrund der klimatischen Entwicklungen, der Extremwetterereignisse, nicht mehr geeignet ist als „Brotbaum“ der Forstwirtschaft zu fungieren. Sicher ist auch, dass es ökologisch nicht vorteilhaft gewesen ist, großflächig auf monokulturellen Anbau einer Baumart zu setzen. Es wird mehr und mehr deutlich:: Das Ziel klimaplastischer Wälder ist ein diversifizierter Mischwald mit möglichst heimischen (Laub- )Baumarten. Eine vergleichbare Situation gab es vor zehn Jahren durch Kyrill schon einmal, viele Waldbesitzer*innen ignorierten jedoch die Hinweise aus der Wissenschaft 2 und dem Landesbetrieb Wald und Holz. Viele setzten weiter monokulturell auf die Fichte oder Douglasie. Die wenigen, die mit anderen Baumarten (Weisstanne, Buche, Roteiche, Küstentanne, Esskastanie) ihre Wälder anreicherten, mussten erleben, dass der hohe Wildbesatz häufig alle Bemühungen zunichtemachte. Millionen an Steuergeldern wurden dem Wild „zum Frass“ vorgeworfen, da die Jagd nicht adäquat und konsequent durchgeführt wurde. Notwendiger Gatterbau zum Schutz der empfindlichen Baumarten wurde unzureichend gefördert und die Unterstützung des Waldumbaus durch die Berufsverbände erfolgte nur halbherzig. Darüber hinaus verbleiben nun zehntausende von Plastik- Einzelwuchshüllen in den Wäldern und werden zu Mikroplastik. Um eine ähnliche Entwicklung in den kommenden Jahren zu verhindern und endlich den notwendigen Waldumbau einzuleiten, fordern B90/Die Grünen NRW nun kurzfristig für die Bewirtschaftung des Staatswaldes:1 1. Ausweitung von Referenzflächen, die der Sukzession und somit der natürlichen Waldentwicklung unterliegen, mit und ohne Wildschutzzäunen oder Weisergattern, um einen Vergleich zu ermöglichen. 2. Auf den Flächen, auf denen bereits Naturverjüngung gegeben ist, eine optimierte Pflege derselben mit dem Ziel, einen diversifizierten Waldaufbau zu betreiben 3. Klarer Vorrang für Naturverjüngung und den Anbau von standortheimischen Baumarten. In FFH- und Naturschutzgebieten absolute Beschränkung auf standortheimische Baumarten. 4. Eine an den Zielen der Walderhaltung und des Waldaufbaus ausgerichtete Wildbejagung, insbesondere bei Reh- und Rotwild. 5. Bei hohem Wildbestand auch Nutzung des Gatterbaus/Wildschutzzaun (konditioniert, z.B.: max. Größe 1ha, Mindestabstand zum nächsten Gatter 60 Meter. Abbau nach 8 Jahren), um insbesondere Laubbäume bzw. die Weisstanne vor Wildverbiss schützen zu können. 6. Aufbau bzw. Optimierung eines naturverträglichen Gewässermanagementsystems für Wälder Darüber hinaus sollen in einem gemeinsamen Prozess zwischen dem Landesbetrieb Wald und Holz, den kommunalen Spitzenverbänden und der Vereinigung der Kommunalwaldbesitzer Handlungsempfehlungen und Regeln für die Bewirtschaftung des Waldes in kommunalem Eigentum erarbeitet werden. Für den Privatwald fordern wir: 1. Gro.zügige Förderung von Sukzessionsflächen, von Naturverjüngungen und von einer Beschränkung auf standortheimische Baumarten. 2. Bei hohem Wildbestand auch Förderung des Gatterbaus/Wildschutzzaun (konditioniert, z.B.: max. Größe 1ha, Mindestabstand zum nächsten Gatter 60 Meter. Abbau nach 8 Jahren, ), um insbesondere Laubbäume bzw. die Weisstanne vor Wildverbiss schützen zu können. 3. Verpflichtende Berücksichtigung der Forstlichen Standortkarte bei Förderanträgen 1 Und verweisen zusätzlich auf den Entschließungsantrag der Grünen Landtagsfraktion vom 27.11.2018, Drucksache 17/4346 3 4. Rücknahme der Erhöhungen der Entgeltordnung für 2019, um die Waldbesitzer*innen nicht zusätzlich zu belasten 5. Im Privatwald muss der Anteil von Sukzessionsflächen, Naturverjüngung und Pflanzung standortheimischer Baumarten deutlich gesteigert werden. Wo erforderlich sind angepasste Schutzmaßnahmen, wie z.B. der Bau von Gatter, zu fördern. Nur durch unbürokratische, rechtssichere und wirtschaftlich angemessene Naturschutzverträge bzw. durch Verordnungen mit fairer Entschädigung werden die notwendigen Umbaumaßnahmen erfolgreich sein. In FFH- und Naturschutzgebieten müssen alle Entscheidungen das Ziel haben, auf 100 % der Fläche eine natürliche Waldentwicklung zu erreichen. Darüber hinaus sind auch Unterstützungsma.nahmen nötig, um den Abtransport der geschädigten Bäume zum Ende des Frühjahrs aus den Wäldern zu gewährleisten bzw. die Kosten für die Waldbesitzenden nicht zu hoch werden zu lassen: 1. Zentrale Trockenlagerplätze sind unter Berücksichtigung der wasser- und bodenkundlichen Eignung einzurichten, damit die Abfuhrunternehmen nicht zu Tausenden Kleinstpoltern fahren müssen. Dies erleichtert und vergünstigt die Abrechnung und stärkt, wenn es über die Forstbetriebsgemeinschaften gemacht wird, diese Zusammenschlüsse. 2. Für die Waldbesitzenden mit Kurzholzwagen ist dann wichtig, dass sie diese auf öffentlichen Straßen nutzen dürfen. Dies ist heute nicht immer so, da diese Anhänger häufig nicht mit Druckluftbremsen ausgerüstet sind. Hier fordern wir eine einjährige Ausnahme. 3. Schwierige Abwägungen sind erforderlich zwischen der beschleunigten Beseitigung des Käferholzes (Brutmaterial) und einer bodenschonenden Bewirtschaftung. Die Entscheidungen sind im Staatswald durch Verordnungen und Schulungen zu optimieren, besonders sorgfältig für FFH- und Naturschutzgebiete. Im Privatwald muss eine intensive Beratung und organisatorische Unterstützung stattfinden. Denn es muss vermieden werden, dass gravierende Probleme (Verdichtung, Erosion, Schäden an Ton-Humus-Komplexen etc.) auftreten. Das Befahren mit hohen Achslasten, die insbesondere durch Spitzenwerte (Kurven, unebene Strecken, Neigungen etc.) Langzeitschäden verursachen können, muss auf Zeiten (z.B. Trockenzeiten, Starkfrostperioden) begrenzt werden, zu denen keine oder nur geringfügige Bodenschäden zu erwarten sind. 4. Für jedes Regionalforstamt muss ein individueller Masterplan bis spätestens 1. März entwickelt werden, der Maßnahmen zur Eindämmung des Käferbefalls spezifisch festschreibt. Auch Einschlagsreduzierungen für Frischholz müssen mit Betroffenen diskutiert und im Landesabgleich wenn nötig durchgesetzt werden. 5. Wenn die Waldbesitzer*innen für die Einnahmen aus dem Verkauf des Schadholzes Einkommensteuer zahlen müssen, obwohl die Käferschäden 4 einen Vermögensverlust und kein betriebswirtschaftliches Einkommen bedeuten, dann ist dadurch in ungerechtfertigter Weise ihre Existenz gefährdet. Deshalb soll auf Bundesebene das Forstschädenausgleichsgesetz als Notmaßnahme angewandt werden. 6. Um in Zukunft die Nutzung von Pestiziden im Fall einer Borkenkäferkalamität zu minimieren, ist es dringend notwendig Machbarkeitsstudien für ökologische Bekämpfungsmittel durchzuführen und seitens der Landesregierung zu finanzieren. 7. Um landesweit eine ökologisch – und auch forstlich – zu verantwortende Wildbejagung insbesondere von Rehwild, Rotwild, Sikawild, Damwild und Muffelwild zu erreichen, ist der Landesjagdverband in die Pflicht zu nehmen, entsprechend auf seine Mitglieder einzuwirken. Die Kalamitätensituation und auch die notwendige Klimaanpassung der Wälder sind große Herausforderungen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass NRW viele private Kleinstwaldbesitzerinnen und -besitzer hat, die diesen Herausforderungen ebenfalls begegnen müssen. Die Gefahr besteht, dass diese nach herben Verlusten ihre Freude an der Waldbewirtschaftung verlieren oder die finanziellen Verluste nicht ausreichend kompensieren können. Wenn keine ansprechenden und unbürokratischen Zukunfts- und Förderprogramme aufgelegt werden kann das für viele Kleinwaldbesitzer das Aus bedeuten. Dies wollen wir vermeiden. Die Unterstützungsma.nahmen sind maßgeblich an eine Bereitschaft zur naturnahen und klimaangepassten Waldbewirtschaftung zu binden, um unsere Wälder für die zukünftigen klimabedingten Herausforderungen fit zu machen. Kontakt: Jutta Velte, jutta.velte@wtal.de Gregor Kaiser, grek@jpberlin.de