Eckwertepapier: Haltung von Nutztieren

 

Eckwertepapier zur Haltung von Nutztiere

LAG Wald, Landwirtschaft & ländlicher Raum, NRW, Bündnis 90 / Die Grünen

                                                                                                           

Diese Leitlinien sind erarbeitet worden, um konkrete Schritte zu einer tiergerechteren Nutztierhaltung aufzuzeigen. Dabei sollen Missstände wie Tierleid durch Qualzucht, Haltungsbedingungen und Eingriffe, der Infektionsdruck und die  Belastung der Böden durch Tierdichte sowie die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch zu hohen Antibiotikaeinsatz beendet werden.

 

Dazu müssen folgende Themen politisch bearbeitet werden:

 

  1. 1.     Reduzierung der Antibiotikagabe im Nutztierbereich
  2. 2.     Verbraucherinformation und -bildung
  3. 3.     Kontrollen
  4. 4.     Tierdichte
  5. 5.     Tier-Mensch-Verhältnis
  6. 6.     Haltungsbedingungen
  7. 7.     Qualität des Futters und Wasser, Futterzusammensetzung
  8. 8.     Zuchtziele / Lebensleistung
  9. 9.     Tiergesundheit
  10. 10.  Wirtschaftlichkeit in der Nutztierhaltung
  11. 11.  Eingriffe an Tieren aus Haltungsgründen
  12. 12.  Tiertransporte /Schlachthöfe

Umsetzung (in Schlagwörtern)

  1. 1.     Reduzierung der Antibiotikagabe im Nutztierbereich: Definition unter welchen Bedingen ganze Bestände, ganze Gruppen, nur erkranktes Tier behandelt werden –  Krankenstationen –  Management –  Hygiene –  Tierdichte
  2. 2.     Verbraucherinformation und – bildung: klare übersichtliche Zertifizierung durch ein staatliches Tierschutzlabel –  Fleischmenge insgesamt reduzieren durch Aufklärung zur Gesundheit – Tier ist nicht ausschließlich Produktionsmittel sondern auch Mitgeschöpf
  3. 3.     Kontrollen: Einhaltung des jetzigen Tierschutzgesetztes forcieren –  Amtstierärzte schulen – Überprüfung des jeweiligen Labels –  Eigenkontrollen  
  4. 4.     Tierdichte: Obergrenzen einrichten –  Ökologisch vertretbare Tierzahlen – Infektionsdruck – Flächenbedarf der Tierart
  5. 5.     Tier-Mensch-Verhältnis: Frage der Pflege –  Platzangebot – Ausbildung und Fortbildung der Menschen, welche Nutztiere versorgen
  6. 6.     Haltungsbedingungen: Arteigene Bedürfnisse definieren – Verhaltensstörungen –  Ausleben arteigener Verhaltensweisen definieren – gegenseitiges Lernen der Betriebe von den Besten, um die Tierhaltung weiter zu entwickeln – Baurecht   
  7. 7.     Qualität des Futters und Wasser, Futterzusammensetzung
  8. 8.     Zuchtziele / Lebensleistung:  Gesundheit der Tiere – arteigene Lebensdauer – Leistungssteigerung
  9. 9.     Tiergesundheit: Prophylaxe vor Therapie – ethische Tierhaltung im Berufstand der Tierärzte im Universitäten, Weiterbildungsinstitutionen, Fachmedien verstärken
  10. 10.  Wirtschaftlichkeit in der Nutztierhaltung: (Milch und Fleischprodukte), Abhängigkeit von  der Schlachthof-, Futter-, Saatgut-, Düngemittel-, Pflanzenschutz- und  Pharmaindustrie verringern – Subventionen ändern –  Direktvermarktung fördern, – Mindestpreise fordern.
  11. 11.  Eingriffe an Tieren aus Haltungsgründen: sollen überflüssig werden
  12. 12.  Tiertransporte / Schlachthöfe: Förderung Direktvermarktung – Zulassung und  Wirtschaftlichkeit von kleineren Schlachthöfen – Überarbeitung Schlachtvorgang

Erläuterung

Nutztierhaltung kann aus Sicht des Verbraucherschutzes oder aus Sicht des Tierschutzes betrachtet werden. Beides hängt eng miteinander zusammen, jedoch sind die Schlussfolgerungen nicht immer die gleichen. Im vorliegenden Papier steht das Tier im Mittelpunkt.

  1. 1.     Reduzierung der Antibiotikagabe im Nutztierbereich: Es muss definiert werden, bei welchen Erkrankungen ganze Bestände oder große Gruppen behandelt werden dürfen. Die Einzelbehandlung ist vorzuziehen und dafür müssen spezielle Krankenstationen eingerichtet werden. Daneben müssen die Haltungsbedingungen, das Management und die Hygienemaßnahmen so gestaltet werden, dass eine Antibiotikagabe eine Ausnahme ist. Die Beanstandungen von Betrieben mit Auflagen zur Besserung können durch Kennzahlen, welche auf eine hohe Erkrankungsrate oder hohe Verluste hinweisen, begründet werden. Hierzu kann im Bestand die Arzneigabe, das Auftreten von Erkrankungen, Verlustrate und Befunden am Schlachttier zur Beurteilung dienen.
  2. 2.     Verbraucherinformation und -bildung: Durch einfache Zertifizierung mit einem staatlichen Tierschutzlabels, kann der Verbraucher besser die Tierhaltung aus der das Produkt stammt einordnen. Die Zertifizierung ersetzt nicht die etablierten Zertifizierungen, sondern ergänzt diese. Dazu sollen durch Aufklärung zu gesunder Ernährung und zur Produktion tierischer Erzeugnisse VerbraucherInnen besser informiert sein. Das Tier als Mitgeschöpf muss stärker ins Bewusstsein der Menschen gelangen.
  3. 3.     Kontrollen: Schon jetzt könnte durch die Durchsetzung bestehender Gesetze die Lebensbedingungen der Nutztiere verbessert werden. Hierzu bedarf es einer verstärkten Diskussion über die bestehenden Gesetze. Nachfolgend soll durch Schulungen der kontrollierenden Personen die Einhaltung der Gesetze forciert werden.
  4. 4.     Tierdichte: Der Flächenbedarf der einzelnen Tierart in Bezug zur Gesamtfläche des Betriebes muss so erhöht werden, dass der Infektionsdruck abnimmt und Erkrankungen so nicht auf den ganzen Bestand übergreifen können. Auch Regional müssen die Obergrenzen angepasst werden.
  5. 5.     Tier-Mensch-Verhältnis: Den besonderen Einfluss des einzelnen Menschen in der Tierpflege sollte Beachtung geschenkt werden (z.B. kann der häufige Wechsel der betreuenden Personen sich negativ auf das Befinden der Tiere auswirken und bei gleicher Tierhaltung gibt es eklatante gesundheitliche Unterschiede, welche der betreuenden Person zugeschrieben wird.) Das Wissen um diesen Faktor in der Ausbildung ist deshalb zu forcieren.
  6. 6.     Haltungsbedingungen: Die Haltung für jede Tierart sollte so vorgeschrieben sein, dass die Tiere frei von physischen und psychischen Leid leben können. Neben der  Gesundheit des Tieres, sollten auch die arteigenen Bedürfnisse und das Freisein von Verhaltensstörungen Voraussetzung in einer Tierhaltung sein. Spezifische Fachgruppen können diese Anforderungen erarbeiten und so Standards für einzelne Tierarten festlegen, welche fortlaufen überprüft werden, wie es z.B. schon im „Tierschutzplan Niedersachsen“ begonnen wurde.
  7. 7.     Qualität des Futters und Wasser, Futterzusammensetzung: Niedrige Keimbelastung von Wasser und Futter nutzt dem Wohlbefinden des Tieres. Die Futterzusammensetzung darf nicht nur anhand von Leistungssteigerung gewählt werden. Die Bedürfnisse bei der Futteraufnahme, welche z.B. auch der Beschäftigung dient, muss beachtet werden.
  8. 8.     Zuchtziele / Lebensleistung: Züchterische Weiterentwicklung sollte neben der Leistungssteigerung auch die Gesundheit und eine lange Lebensdauer ohne körperliches Leid zum Ziel haben.
  9. 9.     Tiergesundheit: Jedes Tier welches krank ist, hat das Recht auf Behandlung. Ist die Erkrankung auf die Haltungsbedingungen oder den versorgenden Menschen zurückzuführen, bedarf es anpassende Maßnahmen. Haltungen sollten so ausgerichtet sein, dass sie Krankheiten minimieren und nicht billigend in Kauf nehmen. Der Aufklärung des Tierarztes für einen gesunden Tierbestand (Prophylaxe) sollte bei der Betreuung einen hohen Stellenwert eingeräumt und finanziell vergütet werden. Ethische Tierhaltung sollte verstärkt im Berufstand der Tierärzte verankert werden und innerhalb von Universitäten, Weiterbildungsinstitutionen und Fachmedien mehr diskutiert werden.
  10. 10.  Wirtschaftlichkeit in der Nutztierhaltung: Bei allen Forderungen muss die Wirtschaftlichkeit mit einbezogen werden. Der Lebensunterhalt der Menschen, welche von der Tierhaltung leben, muss als feste Größe in alle Überlegungen einfließen. Qualitativ und ethisch einwandfreie Erzeugnisse müssen sich für den Landwirt lohnen. Subventionen sollten dieses Handeln unterstützen und so die Entwicklung beschleunigen. Die regionale Vermarktung ist politisch zu unterstützen. Der Landwirt sollte unabhängiger von großen Institutionen mit seinen Erzeugnissen handeln, ohne durch die starke Marktmacht zu billiger und nicht tiergerechter Haltung gezwungen zu werden.
  11. 11.  Eingriffe an Tieren aus Haltungsgründen: Massenhafte Eingriffe an Tieren sollen durch veränderte Haltungsbedingungen und durch Aus- und Fortbildung im Bereich der Lehr- und beratenden Institutionen überflüssig gemacht werden.
  12. 12.  Tiertransport: Um den Schlachttieren lange Transporte zu ersparen, sollte neben einer Verkürzung von Transportzeiten auf 4 Stunden (bisher 8 Stunden) durch eine verstärkte regionale Verarbeitung und Vermarktung Transportzeiten reduziert werden. Durch mehr Schlachthöfe wird die  Auswahl erreichbarer Schlachtstätten erhöht. Der Schlachtvorgang sollte unter tierschutzrechtlichen, arbeitsrechtlichen und kartellrechtlichen Gesichtspunkten überprüft werden.

 

Die LAG beschließt zudem, dass die Kommunikation zwischen den Grünen und den Nutztierhaltern verbessert werden sollte, denn nur gemeinsam mit den Tierhaltern kann eine tiergerechtere Haltung erreicht werden. Durch Kontroversen gehen die Tierhalter auf Abstand und verschließen sich den Ideen der grünen Partei. Das erschwert ein Umdenken und schadet letztendlich den Tieren. Ein Dialog mit allen Tierhaltern und ein Ringen um Lösungen (mit allen Gruppierungen), können letztendlich die Debatte und auch die Verbesserungen in der Tierhaltung von Nutztieren beschleunigen.

Federführend für die LAG: Dr. Ophelia Nick, KV Mettmann